Hornissen

ungerechtfertigt in Verruf geraten

Hornissenkönigin bei Brutpflege Foto: NABU / Ulrich Vogl
Hornissenkönigin bei Brutpflege Foto: NABU / Ulrich Vogl

»Drei Stiche töten einen Menschen, sieben Stiche ein Pferd«, so lautet die bei vielen Menschen heute noch verbreitete Meinung über die Gefährlichkeit der einheimischen Hornisse (Vespa crabro L.). Sie gilt als angriffslustiges Ungeheuer, das zudem in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Imkerei beträchtlichen Schaden verursachen soll. Obwohl die Hornisse heute in weiten Teilen Europas bereits ausgestorben und insgesamt stark bedroht ist, ist die Angst vor diesem Tier immer noch groß. Mit 3-4 cm Länge ist die Hornisse das größte staatenbildende Insekt Europas. Von Natur aus bevorzugt sie lichte Laubmischwälder mit dicken hohlen Bäumen und Astlöchern oder alten Spechthöhlen, kommt aber in Ermangelung ausreichender natürlicher Biotope auch im Siedlungsbereich des Menschen vor. Hier besiedelt sie gerne alte Obstbäume, Gartenhütten, Dachböden, ja sogar Vogelnistkästen.

Hornissennest Foto: NABU / Rolf Dietrich
Hornissennest Foto: NABU / Rolf Dietrich

Die Staatengründung erfolgt im Frühjahr durch eine im Herbst des Vorjahres geborene und begattete Königin. Aus zerkautem und durch Speichel angefeuchtetem Holz, vergleichbar unserem »Papiermasche« (oft »Wespenpapier« genannt), baut das Tier die erste kleine Wabe an die Decke einer geeigneten Nisthöhle. Hier hinein legt sie ihre nur einen Millimeter langen, reiskornförmigen Eier. Die ersten Arbeiterinnen, kleiner als die Königin, schlüpfen bereits 4 Wochen nach der Nestgründung. Sie lösen die Königin, die sich von nun an auf das Eierlegen beschränkt, bei der Versorgung der Larven ab. Der »Hornissenstaat« erwacht zum Leben. Im Laufe des Sommers entstehen viele Generationen von Arbeiterinnen, die nahezu ohne Unterbrechung Baumaterial und Nahrung herbeischaffen. Pro Tag werden für die vor allem insektenfressenden Larven eines einzigen Baus bis zu einem Pfund Insekten und Raupen gefangen.

Foto: NABU / Ingo Ludwichowski
Foto: NABU / Ingo Ludwichowski

»Naturpolizei« im Ökosystem

So kann man in den ersten Wochen die Königin, später nur die Arbeiterinnen beobachten, wie sie fleißig Fliegen fangen, ihnen Flügel und Beine abbeißen und dann auch noch den Kopf und den Hinterleib entfernen. Der Rest, die Brust, wird gründlich durchgekaut, zu einem Fleischballen geformt und an die hungrigen Larven verteilt. Zu den Beutetieren gehören nicht nur Fliegen, sondern auch andere Insekten, die für den wirtschaftenden Menschen schädlich oder lästig sind: Raupen, Bremsen, Wespen gehören dazu. Die Hornisse hat demzufolge als Regulator, als »Naturpolizei«, einen wichtigen Stellenwert im Ökosystem. Sie trägt dazu bei, Massenvermehrungen von Schädlingen zu verhindern. Im Gegensatz zu den Larven brauchen ausgewachsene Tiere viel kohlenhydratreiche Kost, die sie vor allem aus Blüten, Früchten und aus Bäumen austretenden Zuckersäften gewinnen.
Im Sommer erreicht der Staat mit 200 bis 600 Tieren seine größte Stärke, die imposante »Hornissenburg« ist dann oft bis zu 50 cm hoch. Ein solch großer Bau wird bei uns nur noch von einigen Ameisenarten errichtet. Ab dem Spätsommer nimmt dann die Zahl der Hornissen im Staat laufend ab, aus den Eiern schlüpfen nur noch Geschlechtstiere (Jungköniginnen und stechunfähige Drohnen), die nach und nach vom Nest wegfliegen und sich in der freien Natur paaren. Im Herbst stirbt das gesamte Hornissenvolk ab, nur einzelne Jungköniginnen überdauern den Winter in Verstecken wie in morschem Holz. Im darauf folgenden Frühjahr suchen sie wieder einen geeigneten Nistplatz, der Lebenszyklus der Hornisse beginnt von neuem.

Sind Hornissen so schlimm wie ihr Ruf?

  • Vorurteil 1: Hornissen sind immer angriffslustig
    4 m um den Nestbereich herum reagieren Hornissen auf Störungen wie Verstellen der Flugbahn, Erschütterungen der Wabe, Manipulationen am Flugloch, sehr heftige Bewegungen und Hineinatmen in das Nest empfindlich, zum Teil mit Angriffen, denen man sich aber durch das Verlassen des Nestbereichs leicht entziehen kann. Beachtet man diese 5 Störfaktoren und bewegt sich langsam, kann man in Ruhe und ohne Angst den Hornissen bei ihrer interessanten Arbeit zuschauen. Außerhalb des Nestbereichs weichen Hornissen Störungen grundsätzlich durch Flucht aus und sind niemals angriffslustig, da sie ja dort ihr Volk nicht zu verteidigen haben. Sie sind wesentlich scheuer und berechenbarer als Honigbienen oder Wespen.

  • Vorurteil 2: Hornissen werden durch ihr Gift dem Menschen gefährlich
    Hornissengift ist nicht gefährlicher als Bienengift, eher ungefährlicher! Untersuchungen haben ergeben, dass die toxische Wirkung des Hornissengiftes so gering ist, dass normal empfindliche Menschen zahlreiche Stiche ohne Folgen überstehen. So wurde erwiesenermaßen eine Frau durch eigenes Verschulden (panisches Verhalten im Nestbereich) zwanzigmal gestochen, ohne dass Komplikationen aufgetreten wären. Anders ist es jedoch bei den auf einen kleinen Personenkreis beschränkten Allergien gegenüber den im Giftsekret von Hornissen enthaltenen Eiweißkörpern, was allerdings nicht das Geringste mit der Giftigkeit zu tun hat.

  • Vorurteil 3: Hornissen sind schädlich
    Als Insektenjäger verschmähen Hornissen auch Bienen nicht. Allerdings ist der dadurch für den Imker auftretende Schaden minimal: den 12-15 pro Tag von einer darauf spezialisierten Hornissenkönigin erbeuteten Bienen stehen 2.000-3.000 täglich schlüpfende Jungbienen gegenüber! Auch der Anteil der Hornissen an Obstschäden ist gering, da sie sich bei der Nahrungssuche zumeist mit faulendem Fallobst begnügen.
Foto: NABU / Peter Brixius
Foto: NABU / Peter Brixius

Die Hornisse steht unter Naturschutz!

Aufgrund ihrer Bedeutung für den Naturhaushalt und ihrer Bedrohung steht die Hornisse unter dem besonderen Schutz der Bundesartenschutzverordnung. Sie darf daher grundsätzlich nicht getötet, ihre Bauten dürfen nicht zerstört werden. Noch vor etwa 20 Jahren waren Hornissen in den meisten Gegenden der Bundesrepublik nicht selten. Seither sind die Bestände jedoch so stark zurückgegangen, dass die Hornisse heute auf der »Roten Liste« der vom Aussterben bedrohten Tiere als »gefährdete Art« geführt werden muss. Die Ursache dieses Rückgangs ist der Mensch, der die Hornisse nicht nur direkt verfolgt, sondern durch Umwandlung der Laub- in Nadelwälder, Abholzung alter und hohler Bäume und Anwendung von Pestiziden die Lebensräume und Nistplätze dieses Insekts zerstört.

Hornissen am Haus, was Sie tun können

Sollten Sie einen Hornissenbau in Ihrem Haus oder in der Nähe Ihres Hauses, zum Beispiel in einem Vogelnistkasten, entdecken, so freuen Sie sich darüber! Sofern Sie die Tiere nicht reizen, das Nest erschüttern oder heftige Bewegungen machen, gehören Sie zu den wenigen Menschen, die das bereits allein durch seine Größe besondere und seltene Tier einmal in Ruhe aus nächster Nähe betrachten können. Viele naturbewußte Menschen leben bereits mit Hornissen unter einem Dach, ohne dass dies zu Problemen führt. Haben Sie trotzdem Bedenken, so entfernen Sie bitte die Tiere niemals mit Feuer oder Insektiziden! Bevor Sie die Feuerwehr rufen, wenden Sie sich bitte an die zuständige Naturschutzbehörde, eine Ortsgruppe des Naturschutzbundes Deutschland NABU oder des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Diese Stellen können Ihnen in der Regel weiterhelfen, z.B. durch die Vermittlung der Adresse eines Fachmannes, der sie berät, ob das Hornissenvolk umgesiedelt werden kann. Da die meisten Völker erst im Spätsommer entdeckt werden, ist es oft besser, einfach bis zum natürlichen Absterben der Hornissen im Herbst zu warten. Lassen Sie wenn möglich den von den Hornissen geräumten Bau bis zum Frühjahr hängen. Oft befinden sich nämlich noch Käfer einer seltenen, auf Hornissenbauten spezialisierten Art darin, die den Bau als Überwinterungsplatz nutzen.

Hornissennest Foto: NABU / Beate-Seelmann-Eggebert
Hornissennest Foto: NABU / Beate-Seelmann-Eggebert

Was Sie sonst noch für den Hornissenschutz tun können:

Nistkästen für Hornissen? Pfiffige Gartenbesitzer nutzen die Hornisse als »natürliche Schädlingsbekämpfer«, indem sie den Hornissen in ihren Gärten spezielle Nistkästen anbieten. Diese Maßnahme ist ein wirkungsvoller Beitrag zum Hornissenschutz.
Das größte Problem für die Hornissen ist der Rückgang der natürlichen Nistmöglichkeiten, z.B. in Astlöchern alter und toter Bäume. Sofern Sie einen Garten besitzen, können Sie durch Belassen solcher Biotope der Hornisse wichtige Nistgelegenheiten anbieten.
Schutzmaßnahmen für Hornissen haben nur Sinn, wenn die Menschen ihre unbegründete Angst vor dem Insekt verlieren. Helfen Sie mit, diese Ängste z.B. im Gespräch mit Ihren Bekannten oder Nachbarn abzubauen, indem Sie sie über die Lebensweise der Hornisse informieren und Verständnis für die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen wecken.

Rolf Dietrich, NABU Lörrach